Nicht, dass wir Fritz Bauer unkritisch sehen würden. Ganz im Gegenteil. Aber hier wurden interessante Worte niedergeschrieben:
Rechtshistorische Gedanken zum Widerstandsrecht und zur Widerstandspflicht von Fritz Bauer - Das Widerstandsrecht ist germanisch!
„Vieles, was geltendes Recht ist, entstammt dem römischen Recht, und was im Lauf der Jahrhunderte hier und heute hinzukam, trägt seinen Stempel. Die Römer und ihr durchorganisierter Verwaltungsstaat sorgten für Ordnung und System; das Recht war berechenbar und sollte es sein.
Widerstand gab es zwar auch in Rom: Brutus tötete seinen Cäsar. Aber ein Widerstands-recht oder eine Widerstands-pflicht waren dem Imperium Romanum, dem Weltreich der Cäsaren fremd, trägt Widerstand doch bis heute den Ludergeruch der Revolution, der Unordnung und Anarchie.
Das Widerstandsrecht ist germanisch. Es ist dem demokratischen Denken und Handeln der Germanen zu danken. Was wir nicht im Corpus Juris finden, steht unter anderem in der Edda, deren Volksversammlungen und Gesetzessprecher mit ihren Herrschern wie mit „Schweinehirten“ umsprangen, die bei ihrer Arbeit versagen.
Der Vergleich passt nicht zu dem würdigen Stil der Edda oder der feierlichen Verträge jener Zeit, wohl aber entstammt er dem Bilderschatz des Mönches Manegold von Lautenbach, der an der Wende des 11./12.Jahrhundert gelebt hat. Der Beispiele für ein Widerstandsrecht gibt es genug.
Bei den christlich gewordenen Westgoten sind im 6. Jahrhundert im Zeichen des Widerstandsrechts von 35 Königen nicht weniger als 17 nicht nur abgesetzt, sondern getötet worden.
In der jüngeren Edda des Snorre Sturluson lesen wir: „Als der König gegen den Wunsch seines Volkes keinen Frieden schließen will, redet der greise Gesetzessprecher von Tiundaland: Dieser König lässt keinen mit sich sprechen und mag nichts hören, als was ihm selbst wohlgefällig ist und was er mit aller Hitze betreibt. Deshalb wollen wir Bauern, dass du, König, Frieden schließest. Willst Du aber nicht, so werden wir dich töten und nicht länger Unfrieden und Ungesetzlichkeit dulden. Denn so haben es unsere Vorfahren gemacht: sie stürzten 5 Könige in einen Brunnen bei Mulathing, weil sie so von Hochmut erfüllt waren wie Du gegen uns.“
Ihre bedeutendste Formulierung fanden Widerstandsrecht und Widerstandspflicht im
„Sachsenspiegel“. „Der Mann muss auch seinem König, wenn dieser Unrecht tut, widerstehen und helfen, ihm zu wehren in jeder Weise, selbst wenn jener sein Verwandter oder Lehnsherr ist. Damit verletzt er seine Treuepflicht nicht.
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Die Staatsauffassung, die dem germanischen Widerstandsrecht zugrunde lag, kommt bei Manegold von Lautenbach in seinem „Liber ad Gebehardum“ wie folgt zum Ausdruck: „Keiner kann sich selbst zum König oder Kaiser machen, sondern das Volk erhebt einen Menschen über sich mit dem Ziel, dass er gerecht das Reich lenke , die Guten Schütze und die Bösen ausrotte, allen das ihnen Gebührende erweise. Das ist die Übereinkunft, indem er das verwirrt, was er in Ordnung halten soll, so spricht er selbst das Volk von seinen Pflichten frei, weil er als erster die Treue verlassen hat, die beide bindet.
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Im Hintergrund stand die Idee eines Rechts, das wir heute Naturrecht nennen würden und dem Herrscher und Freie in gleicher Weise unterworfen waren. Dieses Recht bestand nach germanischer Auffassung schon vor der Entstehung aller staatlichen Organisationen und war der Verfügung durch irdische Gewalten entzogen, sei es Kaiser, Papst oder Volk. Es konnte weder durch autoritäres oder demokratisches Gesetz noch durch Befehl außer Kraft gesetzt werden. Was ihm widersprach, war null und nichtig.
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Das germanische Widerstandsrecht stand jedem Freien ohne Ausnahme zu. Es schloss jeden unbedingten Gehorsam aus. Auch der Eid war sachlich und zeitlich begrenzt. Er erlosch automatisch, wenn der Herrscher das übergeordnete Recht verriet. Das Wort rex wurde bezeichnenderweise mit den Worten „recte agere“ in Verbindung gebracht.“
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